Dänemark: Zwei Wochen Floristik, Hygge & Nachhaltigkeit

von | Nov. 3, 2025 | Allgemein, Dänemark, Zielländer

2025 – Ein Bericht mit Fotos von Ole Grünewald, Florist in Hamburg …

Wenn man als Florist die Chance bekommt, zwei Wochen in Dänemark zu verbringen – zwischen minimalistischer Ästhetik, Hygge und einer großen Portion Nachhaltigkeit – dann sagt man natürlich ja!

Mein Erasmus-Abenteuer an der Roskilde Tekniske Skole (DK)

Floral-Design: hohes, puristisch gearbeitetes Gesteck mit Dahlie, wilder Möhre im Kenzan Steck-Igel

Mein Aufenthalt an der Roskilde Tekniske Skole war genau das: inspirierend, lehrreich und ein bisschen wie ein Neustart im Denken. Schon am ersten Tag war klar: Hier wird Floristik nicht einfach „gemacht“, hier wird über sie nachgedacht.

Technik trifft Haltung – Lernen mit Struktur und Seele

Wir haben uns intensiv mit verschiedenen Bindetechniken beschäftigt, von der klassischen Tütenform mit klarer Linienführung bis hin zum kompakten, runden Strauß, bei dem es auf harmonische Proportionen und ausgewogene Farbverläufe ankommt.
Und ja, jeder Strauß wurde drei- bis viermal gebunden. Nicht, weil’s nicht gleich schön war, sondern weil Perfektion hier Handwerk und Haltung zugleich ist. Nach jeder Runde gab’s Feedback, Reflexion und den berühmten dänischen „Aha“-Moment.

Reflexion statt Bewertung

Reflektieren ist überhaupt ein großes Thema an der Schule. Jede Arbeit wird gemeinsam besprochen: Warum wirkt dieser Strauß lebendig, jener eher statisch? Wie verändern Licht, Farbe und Bewegung den Gesamteindruck? Welche Geschichte erzählen die Blumen uns und sich gegenseitig?

Dabei wird großer Wert darauf gelegt, dass nicht verurteilt wird. Jede Gestaltung, jeder Strauß hat seine Berechtigung und seine eigene Schönheit. Kritik ist stets fachlich und respektvoll, nie persönlich. Diese Atmosphäre schafft Vertrauen und macht Platz für echtes Lernen und für den Mut, Neues auszuprobieren.

Präzision trifft Nachhaltigkeit

Ein echtes Highlight war das Arbeiten mit dem Kenzan (Steckigel), eine nachhaltige Alternative zur Steckmasse. Statt auf Schaum zu stecken, geht es hier um Balance, Präzision und Ruhe. Das Ergebnis: pure, klare Floristik mit viel Ausdruck.

Auch das Anfertigen von Drahtgestellen, aus denen wir dekorative Objekte und kleine Weihnachtsbäume gestaltet haben, war ein Erlebnis. Metall, Draht und Blüten klingt widersprüchlich, funktioniert aber fantastisch.

Sprache verbindet – und manchmal mischt sie sich einfach

Zwischen Werkbank und Werkstück blieb viel Raum für Austausch. Ich durfte mit Schüler:innen aus den Niederlanden und Dänemark zusammenarbeiten – eine bunte Mischung aus Sprachen, Ideen und Arbeitsweisen.

Die englische Sprache spielte natürlich eine große Rolle. Die meisten Lehrkräfte und Schüler:innen sprechen sehr gut Englisch, und auch im Unterricht läuft vieles auf Englisch. Ein gewisses Sprachverständnis hilft, aber alles andere ergibt sich fast von selbst. Durch den hohen Respekt untereinander fällt das Sprechen leicht – selbst, wenn mal ein Wort fehlt.

Erstaunlich war, wie ähnlich Deutsch, Dänisch und Niederländisch manchmal klingen. Wenn niemand das passende englische Wort wusste, wurde einfach gemischt und erstaunlich oft passten die Begriffe aus allen drei Sprachen perfekt zusammen. Kommunikation wurde so zu einem kleinen, lebendigen Sprachabenteuer.

Nachhaltigkeit als Haltung

Besonders beeindruckt hat mich die konsequente Nachhaltigkeit, die in Dänemark gelebt wird. Hier wird kaum etwas weggeschmissen – wirklich kaum! Jeder Stängel bekommt seine zweite Chance, jedes Blatt eine neue Aufgabe. Mülltrennung und das „Slow Flower Movement“ sind keine Modeerscheinungen, sondern gelebte Überzeugung. 
Diese bewusste Haltung zieht sich durch alle Bereiche des Unterrichts, vom Materialeinsatz bis zur Gestaltung.

Florist Ole mit seinem Werkstück, einem großen Blumenstrauß
Lehrerin Mette mit Schnittblumen und Blattwerk am Arbeitstisch

Ein Blick hinter die Kulissen – Exkursionen und Eindrücke

Auch die Exkursionen waren ein florales Abenteuer: Wir besuchten dänische Floristikgeschäfte, Gewächshäuser, Parks, den Blumenmarkt in Kopenhagen und sogar eine Sukkulentenfarm.

Besonders spannend war der Besuch des Großmarkts in Kopenhagen, ein Ort voller Bewegung, Farben und Düfte. Im Vergleich zu den Märkten in Hamburg oder Amsterdam ist er kleiner, exklusiver und deutlich teurer. Doch genau das war lehrreich: zu sehen, wie anders Marktstrukturen, Preisgestaltung und Materialverfügbarkeit in einem Land funktionieren, das auf Qualität und Regionalität setzt. Leider sterben die kleinen Gärtner auch dort aus und die Prognose für den Großmarkt sieht schlecht aus. Bedauerlich.

Überall begegnete uns das typisch skandinavische Design, klar, reduziert und trotzdem voller Gefühl.

Zum Schluss

Nach diesen zwei Wochen habe ich nicht nur meine Technik verfeinert, sondern auch meinen Blick geschärft. Floristik ist hier keine Routinearbeit. Sie ist eine Sprache aus Form, Farbe und Haltung.

Wenn du Lust hast, Floristik aus einer neuen, europäischen Perspektive zu erleben – mit Nachhaltigkeit, Austausch und ganz viel Inspiration, dann kann ich diesen Aufenthalt an der Roskilde Tekniske Skole nur empfehlen.

Und keine Sorge: Auch wenn du anfangs denkst, du müsstest dein Englisch aufpolieren, Blumen sprechen sowieso ihre ganz eigene Sprache.

Eckdaten

Name: Roskilde Tekniske Skole – Roskilde Technical College (VET)
Adresse: Pulsen 10, 4000 Roskilde, Dänemark
Postadresse: Postboks 132, 4000 Roskilde
Telefon: +45 46 300 400
E-Mail: rts@rts.dk

FlowerSkole: Vilvorde, Køgevej 131, Roskilde
Ansprechpartner: Pernille Bjerre (International Coordinator. Projektleiterin)
E-Mail: peb@rts.dk

Schulgarten mit Stauden
floral dekoriertes Metallgestell in Form eines Tannenbaums